Nummerus Clausus = Intelligenz?
Jeder errechnet sich kurz vor dem Zeugnis seinen möglichen NC: 1,7 2,4 3,1 4,0 ??? Und diese Dezimalzahl ist nun das Produkt meiner – sich über die Jahre hinweg entwickelten – Intelligenz?
Ich denke, wir alle sind uns einig, dass dem nicht so ist: Ich bin doch nicht blöd, nur weil ich dieses bescheuerte „Indefinidio“ in Spanisch nie hingekriegt hab. Ich bin doch nicht blöd, nur weil ich in Deutsch bis heute Komma-Fehler mache. Ich bin doch nicht blöd, nur weil ich die hinreichenden Bedinungen für die Berechnung eines Sattelpunkts in Mathe nicht kenne. Oder vielleicht doch?
Augenscheinlich bin ich seit G8 mit 2,7 zu blöd, Psychologie, Medizin, Jura, Deutsch auf Lehramt und Mediendesign zu studieren. Natürlich ist mir klar, dass ich mit diesen Aussagen übertreibe und meine Unfähigkeit, diese Fächer zu studieren, nichts mit meiner eigenen Doofheit zu tun hat, sondern eher mit der Unfähigkeit der Länder, zukunftsorientiere Bildungspolitik zu betreiben.
Was bei MIR als Abiturient bleibt, ist aber doch der oben beschriebene Eindruck meiner eigenen Fehlbarkeit. Ich bin es doch, die die Konsequenzen für diesen dramatisch schlechten NC tragen muss. Bei MIR sitzt die Annahme, zu doof zu sein, tief, obwohl ich es ja eigentlich besser weiß.
Die einzige Möglichkeit für mich, ungeprüfte Fähigkeiten auszuleben, mir selbst den Gedanken zu nehmen, zu blöd für eine akademische Laufbahn zu sein, ist doch eine solche, in der ich Organisationstalent, Kreativität, Kooperationsfähigkeit, Loyalität und Geschäftssinn beweisen kann. Ich habe einen Abiball mitorganisiert, Ideen für Abimottos und Abishirts entwickelt, Sponsoren für die Abizeitung gefunden: Gespräche mit großen Unternehmen geführt, mich über soziale Projekte informiert, Anzeigen gespendet und zusammen mit meiner Stufe ein unvergessliches Event entwickelt: Wir hatten einen galmourösen Abiball mit tollen Eintrittskarten, süßen Tischkärtchen, lustigen Fotos, imposanten Abschlussreden und Klamotten, von denen sich Angelina Jolie und co. eine Scheibe abschneiden könnten. Wir hatten ein nie da gewesenens kreatives Abimotto, tolle Abishirts, die ich auch heute noch gerne trage und ein Abibuch, indem sich nichts vermissen lässt, keiner schlecht dasteht und welches ich noch in 10 Jahren stolz in die Hand nehmen werde.
Was mir unter’m Strich bleibt ist natürlich immernoch kein Studium und immernoch diese eckelige Dezimalzahl von 2,7 , mit der ich mich identifizieren muss. Darüber hinaus glaube ich aber heute nicht mehr, zu doof zu sein. Auch wenn mich niemand danach fragt, so weiß ich für mich doch, dass ich – was auch immer auf mich zu kommt – einen tollen Job machen werde, indem ich meine Kreativität und mein Organisationstalent ausleben kann. So ganz nebenbei bleiben mir auch unvergessliche Fotos vom Abiball, ein nettes Abi-Shirt, um das mich noch heute einige beneiden und ein Abibuch, dass einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal bekommen hat.
Für das abigrafen.de-Team,
ein anonymer Gastautor